Körperhöhenrekonstruktion auf Bildern, hat das noch Sinn?

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Der Mensch Schrumpft Tagsüber

In der Facette forensischer Untersuchungen und der Verbrechensbekämpfung stellt die präzise Bestimmung der Körpergröße einer verdächtigen Person anhand von Videoaufnahmen eine grundlegende Säule dar. Dabei fungiert die Körpergröße als ein maßgebliches Identifikationsmerkmal, das nicht nur zur Täterprofilierung beiträgt, sondern auch die Suche nach Verdächtigen signifikant erleichtert. In diesem vielschichtigen Exposé werden aktuelle technische Möglichkeiten und die damit verbundene Akkuratheit bei der Ermittlung der Körpergröße aus Videomaterial beleuchtet.

Die einfachste, jedoch keineswegs unfehlbare Methode ist die manuelle Schätzung. Hierbei dient die Relation zu bekannten Objekten oder Referenzpunkten als Basis. Diese Methode hängt massiv von der Videoqualität, der Perspektive und dem Detailwissen des Analytikers ab, was sie in puncto Präzision anfechtbar macht. Technologisch raffinierter erscheint die Photogrammetrie, bei der geometrische Informationen aus Bildern extrahiert werden, um eine dreidimensionale Skalierung zu ermöglichen. Die Herausforderung dieser Methode besteht jedoch ebenfalls in den Variablen der Aufnahmequalität und der Kameraperspektive.

Der wissenschaftliche Fortschritt und die anbrechende digitale Ära haben die Verwendung von 3D-Rekonstruktionen in den Fokus gerückt. Mittels Computer-Vision-Techniken wie „Structure from Motion“ (SfM) oder „Multi-View Stereo“ (MVS) können dreidimensionale Konfigurationen erzeugt werden, die eine exakte Messung erlauben. Doch auch bei dieser technologisch anspruchsvollen Methodik bleibt die Genauigkeit eng an die Effizienz der Rekonstruktionstechniken und die Beschaffenheit des Ausgangsmaterials geknüpft. Die Krone der gegenwärtigen Technologie bildet die Nutzung künstlicher Intelligenz und Deep-Learning-Modelle, die trainierte neuronale Netzwerke einsetzen, um Körpergröße und -proportionen aus Bilddaten abzuleiten. Nichtsdestotrotz bleibt die Präzision durch die Qualität der Trainingsdaten und der Videosequenzen beeinflusst.

Zur Beurteilung der Messgenauigkeit sind diverse Faktoren maßgeblich. Eine exzellente Videoauflösung und eine optimal positionierte Kamera schaffen ideale Bedingungen für präzise Messungen. Verzerrungen und anamorphe Effekte, verursacht durch ungünstige Perspektiven, können jedoch die Resultate verfälschen. Eine nicht zu vernachlässigende Variable ist das Vorhandensein von Referenzobjekten. Ebenso spielt der tageszeitliche Aspekt eine bedeutende Rolle.

Es gibt eine weit verbreitete, jedoch misinterpretierte Annahme, dass Menschen im Tagesverlauf bis zu 2,5 cm schrumpfen. Tatsächlich beträgt die durchschnittliche Höhenabnahme etwa 1,54 cm, variiert jedoch individuell deutlich (Harrison, DE et al. 1998). Dieser Effekt resultiert aus der Kompression der Bandscheiben in der Wirbelsäule unter dem Einfluss der Gravitation, was in liegender Position während der nächtlichen Ruhephase wieder kompensiert wird. Laut einer Untersuchung, die im „American Journal of Physical Anthropology“ publiziert wurde, beträgt die durchschnittliche tägliche Höhenreduktion 1,54 cm, kann aber je nach Individuum schwanken (Harrison, DE, et al. 1998).

Es ist essenziell zu vermerken, dass diese Höhenabnahme temporär ist und sich durch eine ausgeglichene Nachtruhe regeneriert. Um die gesundheitsfördernde Integrität der Wirbelsäule zu bewahren und der täglichen Höhenminderung entgegenzuwirken, sind eine gute Körperhaltung, regelmäßige körperliche Bewegung sowie qualitativ hochwertiger Schlaf vonnöten. Weitere beeinflussende Faktoren sind Dehydration, eine schwache Muskulatur und exzessives Körpergewicht, die durch gezielte Maßnahmen wie adäquate Flüssigkeitszufuhr, Muskeltraining und Gewichtsmanagement moduliert werden können.

Die Körperhöhe eines Individuums ist ebenfalls ein bedeutender Faktor für das Ausmaß der täglichen Höhenreduktion. Höher gewachsene Personen neigen aufgrund ihrer längeren Knochen und größeren Masse zu einer stärkeren Kompression. Eine Studie aus dem Jahr 2002 zeigt, dass größere Menschen tendenziell stärker schrumpfen als ihre kleineren Zeitgenossen, wobei das Körpergewicht einen noch markanteren Einfluss hat (Malkoç, M., et al. 2002).

Ein Blick auf die menschliche Wirbelsäule offenbart eine Komplexität, die aus 33 Wirbeln besteht, von denen 24 beweglich und 9 zu den verschmolzenen Sektionen (Sacrum und Coccyx) zählen. Die 24 beweglichen Wirbel differenzieren sich in 7 Halswirbel, 12 Brustwirbel und 5 Lendenwirbel. Größere Menschen haben normalerweise längere Wirbel und dickere Bandscheiben, weshalb die tägliche Schrumpfung bei ihnen ausgeprägter ist.

Conclusio: Es gibt keine unumstößlichen Beweise dafür, dass alle Menschen täglich über 1 cm Körperhöhe einbüßen. Die tatsächlichen Messungen sind tendenziell gering, und Faktoren wie Hydratation und Bewegung minimieren diese Effekte. Kürzliche selbst initiierte Studien untermauern diese Erkenntnis: Ein 20-jähriger Proband maß am Morgen 203 cm und am Abend, nach 14 Stunden, immerhin noch 202,3 cm. Diese differierende Perspektive unterstreicht den Bedarf an weiteren empirischen Studien, durch die wir technische Lösungen entwickeln können, um zuverlässige Messungen zu gewährleisten.

Der Kreislauf der wissenschaftlichen Erkenntnisse bleibt lebendig und fließt kontinuierlich weiter. Bis zu endgültigen, belastbaren Ergebnissen ist es zwingend geboten, Experten auf die tageszeitliche Schrumpfung hinzuweisen. Eine Missachtung dieser Tatsache wäre fahrlässig und könnte zu folgenschweren Fehlinterpretationen führen.

Quellen für diesen Beitrag: Harrison, D. E., Cailliet, R., Harrison, D. D., Janik, T. J., & Holland, B. (1998). Changes in height over two consecutive days. American Journal of Physical Anthropology, 106(1), 71-76. Malkoç, M., Kaya, O., & Oztürk, L. (2002). Influence of stature and body weight on spinal height decrement at the end of a working day. Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy, 32(11), 572-578. Mayo Clinic. Does Your Spine Shrink When You Get Older? (2019). Harvard Health Publishing. Is it true that people shrink as they age? (2017). National Institutes of Health. Height and Body Mass Index (BMI) Trends in Children and Adolescents, 1999-2012. (2014).

Ein Wortspiel zum Schluss: Manchmal ist es das „kleinste“ Detail, das die „größte“ Bedeutung hat – und ein Zentimeter mehr oder weniger kann den entscheidenden Unterschied machen.

— George A. Rauscher am 04. April 2023

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