Geplänkel im Gerichtssaal

… oder besser: professionelles Verhalten vor Gericht …

Gutachten werden zur Aufklärung von Sachverhalten häufig im laufenden Gerichtsverfahren in Auftrag gegeben. Die gegnerischen Anwälte versuchen anschließend mit ihren Argumenten und Schriftsätzen die Beweiskraft von Gutachten, aber auch die Glaubwürdigkeit und vor allem die Kompetenz der Ersteller in Frage zu stellen, um so das Ergebnis eines „unbequemen“ Gutachtens vom Tisch zu bekommen.

Als Sachverständiger ist die Unparteilichkeit oberstes Gebot. Oft verlangt das Gericht aber eine eindeutige Meinung. So ist es fast unmöglich mit dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens keine Partei zu ergreifen. Unabhängig vom Ergebnis und dem Gutachten eines Sachverständigen, ist eine der Parteien meist nicht hocherfreut über das Resultat eines Beweisbeschlusses. Ist das Gutachten frei von fachlichen Fehlern, in der Foto- bzw. Videoforensik z. B. Messfehler, Rechenfehler etc., bleibt den Anwälten nur noch die Möglichkeit, den Sachverständigen selbst herabzuwürdigen. Unerfahrene Sachverständige können sich dadurch aus dem Konzept bringen lassen. Mein erstes Mal vor Gericht verlief ebenso – ich wurde regelrecht 3 Stunden zerlegt!

Das kann für unerfahrene Sachverständige schockierend und beleidigend wirken. Die Reaktion fällt dementsprechend emotional und im Ergebnis wenig überzeugend aus.

Unterschieden wird dabei zwischen ‚Stimmungsmache’ zur Herabwürdigung und Herbeiführen des Verlusts der Glaubwürdigkeit und faktenbasierten Argumenten (falsche Ergebnisse oder ein gar unbrauchbares Gutachten). Stimmungsmache wird von den Gerichten und deren mehr oder weniger erfahrenen Richtern, in der Regel in keiner Weise bewertet. Es gehört zum anwaltlichen Handwerk und ist von den Anwälten weder persönlich noch beleidigend aufzunehmen. Die Gerichte beschränken sich bei ihrer Bewertung in aller Regel ausschließlich auf fachliche Fehler und bewerten diese rechtlich, bevor sie in der Sache ein Urteil sprechen. Ein Sachverständigengutachten dient dabei der Entscheidungsfindung und dies liegt auch völlig im Ermessen des Richters.

In diesem Falle ist es wichtig, nicht auf das Geplänkel einzugehen. Auch das spricht für die Kompetenz eines Gutachters, sich nicht aus dem Konzept bringen und provozieren zu lassen. Die Kompetenz des Gutachters steht zu diesem Zeitpunkt außer Frage. Wer sollte sie auch beurteilen? Es ist gerade Aufgabe des Gutachters, vor der Beauftragung die Übereinstimmung des Sachverhalts und des eigenen Sachverstands zu prüfen!

Viel wichtiger ist es, die fachlichen Argumente sauber zu behandeln. Das zeigt Professionalität und Souveränität. Das Gericht wird bei seiner Bewertung immer nur auf die fachliche Abhandlung eingehen. Alles, was zählt ist, ob das Gutachten und die Berechnungen einer Überprüfung durch Dritte standhalten. Der Sachverständige sollte sich darauf konzentrieren, die fachlichen Kritikpunkte sauber aufzuarbeiten und die Vorgehensweise und Bewertung im Gutachten nachvollziehbar und schlüssig darzulegen. Das wird das Gericht überzeugen!

 

Professionalität ist erlernbar.

Grundsätzlich sollte ein angehender Sachverständiger eine Art Tutorium durchlaufen, wobei dieser auch zu Beginn an Gerichtsterminen seiner Kollegen teilzunehmen hat. Letztendlich ist es ihm so möglich, sich ein Bild darüber zu machen, wie Gerichtsverhandlungen in der Regel ablaufen.

Werde ich als Sachverständiger geladen, so warte ich außerhalb des Saales, bis ich einen Platz zugeteilt bekomme. Im Strafprozess, beauftragt vom Gericht, ist dies an der Seite des Staatsanwaltes.

Zu Beginn ist es erforderlich, die Personalien wie Name, Anschrift, Alter, Beruf und den Familienstand anzugeben. Unter Bezugnahme auf § 68(2) StPO erfolgt meinerseits hier die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift (GmbH). Im Anschluss sollte man noch ohne Aufforderung hinzufügen, dass man mit den Parteien weder verwandt noch verschwägert ist.

Unabdingbar ist es, beim Verfassen der jeweiligen Schriftsätze auf Kurzformen zu verzichten (ein professioneller Sachverständiger erstellt grundsätzlich keine Kurzgutachten) und detailliert Grundlagen, Vorgänge, Arbeitsschritte und Hilfsmittel aufzuführen. Ein guter Lehrer, ein ehemals hochrangiger Polizeibeamter, gab mir in den 90er-Jahren etwas mit auf dem Weg: „Wer schreibt, der bleibt“ und so gewöhnte ich es mir an, sorgfältig, lückenlos und transparent zu arbeiten. Mein längster Schriftsatz umfasste 295 DIN-A4-Seiten. Die darauffolgende Hauptverhandlung dauerte für mich 15 Minuten. Stellt man sich im Vorhinein die Frage, welche Nachfragen einem gestellt werden könnten, so hat man vorab die Möglichkeit, die jeweiligen Antworten ins Gutachten mit einfließen zu lassen.

„Ein Sachverständiger weist seine Kompetenz nicht durch eine Zertifizierung, sondern durch fehlerfreie und nachvollziehbare Gutachten/Leistungen nach, die zu sachgerechten Ergebnissen führen!“

Aus aktuellem Anlass, da kürzlich wirklich erlebt:
Sprechen Sie den Richter oder die Richterin bitte keinesfalls mit „Euer Ehren, hohes Gericht oder gar den Namen an. Dies entstammt Hollywood-Filmen. Die korrekte Anrede lautet: „Herr/Frau Richter/in“ oder Herr/Frau Vorsitzende/r“!

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