EuGH: Kinder haften für ihre Eltern?
Bereits vor einiger Zeit wurde am Münchner Landgericht I ein Fall illegalen Filesharings verhandelt. Der Verlag Bastei-Lübbe verklagte einen Herren wegen Urheberrechtsverletzung.
Der Vorwurf bestand darin, dass von seinem Internetzugang Hörbücher über eine illegale Plattform zum Download angeboten wurden. Vor Gericht behauptete der Mann, dass er die Hörbücher nicht eingestellt hatte und wollte sich dadurch entlasten, dass auch seine Eltern Zugriff auf den Account hätten. Demnach wäre nicht zu beweisen, dass der Beklagte die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Nachdem sich nach dem Deutschen Rechtssystem niemand selbst belasten muss und auch nicht seine nächsten Angehörigen zur Aussage verpflichtet werden können, wäre eine Beweisführung nicht möglich. Ursächlich dafür ist der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG. Problematisch ist hier jedoch, dass auch das Urheberrecht grundrechtlichen Schutz genießt. Dieser stützt sich auf Art. 14 GG. Das hat auch nicht zur Folge, dass das Rechtsgut „Ehe und Familie“ immer als höherrangiges Schutzgut anzusehen ist. Vielmehr ist jeder Fall individuell zu betrachten und zu bewerten. Die widerstreitenden Interessen müssen in Einklang gebracht werden.
Das Landgericht München I sah darin einen unlösbaren Konflikt und legte dem EuGH den Streitfall zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV vor.
Dabei geht es um die Auslegung der Verträge hinsichtlich von Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Diese wurde geschaffen, um dem Schutz (geistigen) Eigentums und der veränderten Bedingungen durch die digitale Welt, genüge zu tun. Der EuGH hatte zu entscheiden, ob der Schutz des geistigen Eigentums hinreichend beachtet wird, wenn der Inhaber eines Internetzugangs hinsichtlicher einer missbräuchlichen Verwendung seine Unschuld beteuert, zudem mehr als nur ein Familienmitglied benennt, das den infrage stehenden Zugang genutzt haben könnte, sich aber andererseits auf den Schutz der Familie beruft, um keinen namentlich als Verantwortlichen zu benennen.
Das ist nicht der Fall! Die Grundrechte sollen keine Rosinenpickerei ermöglichen, sondern Individualrechte schützen. Trotz des hohen Schutzes der Familie überwiegt im vorliegenden Fall die Schutzwürdigkeit des geistigen Eigentums! „An einem solchen Gleichgewicht fehlt es, wenn den Familienmitgliedern des Inhabers eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, ein quasi absoluter Schutz gewährt wird“. Wenn es dem nationalen Gericht nicht möglich ist, auf Grund entgegenstehender Grundrechte des Beklagten, Beweis zu erbringen, müssen diese, auch wenn der hohe Schutz von Ehe und Familie in Frage steht, hinter denen des Urhebers zurücktreten. Der Inhaber des Internetzugangs ist daher zur Verantwortung zu ziehen, auch wenn die Person, die die Datei illegal zum Download zur Verfügung gestellt hat, nicht zweifelsfrei feststeht.